Das Weinen (Das Wähnen)

Das Weinen (Das Wähnen)
Roth – Marthaler – Benini, Brekke, Grigolli, Plüss, Weisse, Wrage

Diese klingende Apotheke verspricht nicht nur Heilung, sondern – als eine von vielen Wechsel- und Nebenwirkungen – auch Glück durch Sprache. Christoph Marthaler, einer der herausragenden Theater-Erfinder der letzten Jahrzehnte, macht einen Ort des täglichen Lebens zum Schauplatz dadaistischer Poesie, von Dichtung, die an Herz, Nieren, Magen und Darm geht. Zu entdecken gibt es Texte des Bildenden Künstlers Dieter Roth (1930-1998), ein Schweizer Sonderfall wie sein nunmehriger Regisseur Marthaler. Ausgangspunkt dieses hundertminütigen Sing- und Sprechspiels ist das titelgebende Büchlein Das Weinen (Das Wähnen), welches Roth einst Marthaler zum Geschenk machte. Weniger als um ein Theaterstück handelt es sich dabei um ein Tränenmeer oder sogar um mehrere – der Autor schrieb insgesamt fünf Tränenmeere plus einen Tränensee. In diesen baden nun, ausgesprochen unsentimental, fünf fabelhafte Apothekerinnen und ein wunder Kunde. Das Rezept, das sie dem Leben ausstellen, ist ein Gedicht.

Das Weinen (Das Wähnen)

nach Texten von Dieter Roth

von Christoph Marthaler

Eine Produktion des Schauspielhaus Zürich, präsentiert von Weiterspielen


Mit Liliana Benini, Magne-Håvard Brekke, Olivia Grigolli, Elisa Plüss, Nikola Weisse, Susanne-Marie Wrage 


Inszenierung Christoph Marthaler 

Bühne Duri Bischoff 

Kostüme Sara Kittelmann 

Sounddesign Thomas Schneider 

Musikalische Einspielung Bendix Dethleffsen 

Licht Christoph Kunz 

Dramaturgie Malte Ubenauf 


Aufführungsdauer 100 Min (keine Pause)


Neben einigen selbstverfassten Passagen stammen alle Texte dieser Inszenierung von Dieter Roth. Es erklingt Musik von John Dowland, Victor Herbert, Carole King / Howard Greenfield, Wolfgang Amadeus Mozart, Erik Satie, Franz Schubert, Peter I. Tschaikowsky


Aufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher, Galerie Hauser & Wirth, Suhrkamp Verlag


Alle Fotos © Gina Folly


Uraufführung am 20. September 2020, Pfauen, Schauspielhaus Zürich


Koproduzenten des Schauspielhaus Zürich: Emilia Romagna Teatro Fondazione, Nanterre-Amandiers – centre dramatique national, Bergen International Festival, Théâtre Vidy-Lausanne und International Summer Festival Kampnagel, Hamburg


Weitere Gastspiele: Dialog – Wrocław International Theatre Festival; Théâtre du Passage, Neuchâtel; Nationaltheater Miskolc; Athens Epidaurus Festival (Peiraios 260)


Gastspiel beim Athens Epidaurus Festival mit Unterstützung der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia


TOURING-STAFF Weiterspielen

Technische Leitung Markus Both

Beleuchtung Pablo Weber

Ton Susane Affolter / Michael Sturm

Requisite Doris Berger

Maske / Garderobe Viviane Lima

Abendregie Lea Theus

Reiseleitung Roland Koberg


WEITERE MITWIRKENDE DER ORIGINALPRODUKTION:

Technische Leitung Touring: Andreas Greiner

Produktionsassistenz: Clara Isabelle Dobbertin

Bühnenbildassistenz: Julia Bahn

Kostümassistenz: Natalie Soroko

Regiehospitanz: Samuel Petit

Inspizienz: Aleksandar Sascha Dinevski

Soufflage: Lea Theus, Gerlinde Uhlig-Vanet


TRAILER VON HETA MULTANEN:

Verzoffnung

Dramaturg Malte Ubenauf im Programmheft über diesen Abend: 


Das Weinen (Das Wähnen) ist kein Stück. Es ist ein Tränenmeer. Genauer gesagt: Tränenmeer 4. Ob es sich hierbei um eine Gattungsbezeichnung handelt, kann nicht endgültig geklärt werden. Sicher ist nur: Es gibt insgesamt fünf Tränenmeere plus einen Tränensee – allesamt verfasst von Dieter Roth.

Wenn von Dieter Roth (1930-1998) die Rede ist, geht es fast immer um den bildenden Künstler Dieter Roth, um jenem in der Schweiz aufgewachsenen Hannoveraner also, der sein Leben lang unterwegs war, in Hamburg lebte, in Island, in den USA, in Basel, und der ein einzigartiges Œuvre hervorbrachte: Malereien, Objekte, Filme, Zeichnungen, Assemblagen, Installationen, Kompositionen, Künstlerbücher – oder, etwas genauer gesagt: Schokoladenskulpturen, Gewürzbilder, Köttelkarnickel, Tischruinen, Löwentürme und Literaturwürste.

Kaum wahrgenommen hingegen wurde (und wird) das schriftstellerische bzw. dichterische Werk Dieter Roths. Es ist auch, physisch betrachtet, sehr schwer zugänglich. Der einst bei Suhrkamp erschienene Sammelband ist längst vergriffen, der bei Luchterhand ebenfalls, andere Veröffentlichungen finden sich zu hohen Preisen im Antiquariat, einige wenige Texte kursieren im Internet. Das ist schade, denn das Schreiben bedeutete Dieter Roth viel. Sehr viel sogar. Immer wieder gab er zu Protokoll, es wäre sein eigentliches Glück.

Um dieses Glück Dieter Roths geht es in Das Weinen (Das Wähnen). Und um Christoph Marthalers Glück an diesem Glück. Und um alle Neben- und Wechselwirkungen, die auftreten, wenn man es nicht mit einem Stück, sondern einem Tränenmeer zu tun hat.


Das Weinen (Das Wähnen) ist kein Abend über Dieter Roth. Kein bisschen Biografie, keine Anekdoten, nicht der kleinste Hinweis auf jene Momente, in denen sich Christoph Marthaler und Dieter Roth in den 1990er-Jahren hin und wieder in Basel über den Weg liefen. Kein Wort darüber, dass Marthaler Das Weinen (Das Wähnen), Band 2A (Tränenmeer 4) von Roth geschenkt bekam und es seit vielen Jahren von Stadt zu Stadt mit sich trägt. Marthalers Inszenierung spielt auch nicht an einem Schauplatz, den man mit den visuellen Kunstwerken Roths in Verbindung bringen könnte. Nichts dergleichen. In Marthalers Inszenierung geht es um die Sprache Dieter Roths. Und die Frage, wie diese Sprache gesprochen werden könnte. Und wann. Und von wem. Und unter welchen Umständen.

Sein Buch Das Weinen (Das Wähnen), Band 2A (Tränenmeer 4) hat Roth selbst einmal als "Redetext" bezeichnet. Dies verwundert nicht, denn Roth lässt hier unendlich viele Redende auftreten. Oft gibt es sie nur für kurze Momente, manchmal nur für einen Satz. Die Redenden tragen dann Rollennamen, beispielsweise diese:

Wer Immer

Setzei

Hinterberg

FISCH

Dochherein

Einerdemschwindelt 1 und Einerdemschwindelt 2


Auch Chöre kommen in Roths Werk zu Wort (A+B+C+D+E+F+G+H) sowie Vorhänge und VorVorhänge, Eishelme, Eiskrehm und Schweine Bob. 

Wie auf solche Vorgaben reagieren? Braucht es

450 Kostüme und mindestens ebenso viele Bühnenbildverwandlungen? Christoph Marthaler entscheidet sich anders. Seine Inszenierung Das Weinen (Das Wähnen) spielt an einem Ort des (mehr oder weniger) täglichen Lebens. Es ist ein Ort, an dem Verzweiflung und Hoffnung so eng beieinander liegen, dass sie schon fast eine Einheit bilden. Also so etwas wie: Verzoffnung. Lässt sich das noch darstellen? Dieter Roth würde diese Frage vielleicht folgendermassen beantworten: "Sobald du etwas darstellst, verschwindet es in der Darstellung. Universalsymbolik für die Darstellung ist die Tarnkappe."

Pressestimmen

Es lebe das Marthaler-Theater.

Frankfurter Allgemeine


Beglückender war selten ein Theaterabend. 

Neuer Zürcher Zeitung


Die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler (Liliana Benini, Magne Havard Brekke, Olivia Grigoli, Elisa Plüss, Nikola Weisse, Susanne-Marie Wrage) zeigen ein grandioses Spiel.

Seniorweb


Wenn Nikola Weisse ihr "Crying in the Rain" kräht, ist man hin und weg.

Tagesanzeiger


Marthaler (…) verarbeitet den dialogischen, widersprüchlichen, manchmal ganz von Sinn befreiten Text in der gewohnt sprachlichen Präzision, nutzt Roths Spass an Buchstaben-auslassungen für sprachlichen Slapstick und Roths Obsession mit dem Scheitern für heitere Komik. CH Media


Er (Marthaler) hat für uns Schweizerinnen und Schweizer eine Volkskunst jenseits der Folklore entwickelt, und dafür wird man ihm auch ewig dankbar sein.

NZZ


Skurriler Neo-Dada, fürwahr! Serviert wird er zu den Marthaler-typischen Grotesken und Slapsticks, die noch immer bestens funktionieren.

Südkurier



Kurzbiografien

Christoph Marthaler Geboren in Erlenbach bei Zürich ist er seit den 80-er Jahren als Theater- und Opernregisseur tätig u.a. am Theater Basel, der Volksbühne Berlin, dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg, den Münchner Kammerspielen und vielen weiteren großen Bühnen. Seine Inszenierungen bewegen sich zwischen musikalischen, collagenartigen Abenden und eigenwilligen Klassiker-Interpretationen. Viele seiner Produktionen wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen, zweimal erhielt er die Auszeichnung Regisseur des Jahres, sowie zahlreiche weitere Preise. Seine Inszenierungen werden weltweit auf Festivals eingeladen und zum Teil über viele Jahre immer wieder aufgeführt. Von 2002-2004 war Christoph Marthaler Intendant des Schauspielhauses Zürich, welches in dieser Zeit zweimal zum Theater des Jahres gewählt wurde. 2004 erhielt Christoph Marthaler zusammen mit Anna Viebrock den Theaterpreis Berlin. Zuletzt wurde er mit einem Nestroy-Theaterpreis für das Lebenswerk ausgezeichnet.

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